Alltag

Seppe hat seinen ganz speziellen Tagesrhythmus. Und seine ganz eigene Vorstellung davon wie er kommuniziert.
Komme ich früh aus der Haustüre, werde ich mit durchdringendem Brummeln und manchmal auch mit lautem Wiehern begrüßt. Betrete ich das Stallpaddock, steht Herr Hafi bereit und untersucht mich genau, ob ich etwas Essbares dabei habe. Seppe bleibt auf Distanz. Er schaut, läuft ein bisschen hin und her und stellt sich in Wartestellung. Dann wird mehrmals herzhaft gegähnt. Niemals würde er kommen, und an mir herumpusseln. Niemals ist er aufdringlich oder stürmisch. Seine Mimik jedoch ist unbeschreiblich, er "spricht" permanent. Komme ich mit dem Heunetz, steht Herr Hafi bereits mit der Nase am Tor und versucht ein Büschel Heu zu erhaschen. Herr Hafi folgt dem Netz mit der Nase wie angeklebt und beginnt zu fressen, noch während ich es aufhänge. Seppe bleibt auf Distanz. Die Mahlzeit wird erst in Angriff genommen, wenn das Netz aufgehängt ist und ich weg gehe. Die Beiden verstehen sich so prächtig, dass sie sich ein Netz Heu brüderlich teilen. Nach dem Frühstück wird erstmal geschlafen. Herr Hafi döst dazu in einer Ecke im Auslauf. Seppe legt sich in den Stall. Immer, jeden Tag um dieselbe Zeit hält er sein ausführliches Frühstücksschläfchen. Seit ein paar Wochen bleibt er liegen, wenn ich den Auslauf betrete. Bisher habe ich ihn immer in Ruhe gelassen, mich nicht genähert, wollte ihn nicht stören.
Gestern hatte ich nicht viel Zeit, wollte vor der Arbeit noch den Stall ausmisten. Als ich vom Hundespaziergang komme, liegt Seppe wieder gemütlich im Stall, wie jeden Morgen. Er bleibt auch liegen, als ich mich ihm nähere. Ich setze mich zu ihm und wir "unterhalten" uns. Er nimmt ein Leckerchen, und lehnt sich grunzend mit dem Kopf an die Wand. Keine Anstalten aufzustehen.
Herr Hafi kommt nach einer Weile, futterneidisch wie immer, stellt sich dazu und macht Anstalten in den Stall zu kommen. Seppe steht vorsichtig auf, grunzt und streckt sich ausführlich. Ich gehe um die Ecke, Besen und Schaufel holen. Als ich wieder in den Stall trete, legt Seppe sich gerade wieder auf die andere Seite hin. Ganz kurz habe ich den Gedanken im Kopf, ob vielleicht irgendwas nicht mit ihm stimmt. Aber, ich sehe es ja jeden Tag: Jetzt ist Schlafenszeit und ich habe eigentlich zu dieser Zeit im Stall nichts verloren. Ich grinse in mich hinein und fange an vorsichtig auszumisten. Böse, aber ich kann leider meine Zeit heute nicht anders einteilen. Seppe liegt in der Späne und schaut zu, wie ich Schaufel um Schaufel das Nasse raushole. Erst bei der zweiten Karre und als es ans Einstreuen geht, steht er auf, schmeißt den Besen um, beisst in den Spänesack und untersucht die Schubkarre. Der ist nicht krank.
Als es einen neuen Sack Heu als zweites Frühstück gibt, benimmt er sich wie immer und abends nach der Weide auch.
Ich finde den Seppelmann so dermaßen klasse im Umgang. Und freu mich jeden Tag über die alltäglichen Verrichtungen rund um seine Versorgung. Klar ist das alles viel Arbeit, der Tag fängt um 6:00 Uhr an und endet nicht vor 22:00 Uhr, und das 7 Tage pro Woche. Aber es ist jeden Tag und jede Minute Wert.